Amtsgericht Gießen schützt Wunderheiler


Völlige Narrenfreiheit für Wunderheiler-Scharlatanerie und die Abzocke Schwerstkranker durch angebliche „geistige Kräfte“ …

Ärzte Zeitung:

Dienste eines Wunderheilers sind unter gewissen Umständen von der Berufsfreiheit geschützt, so das Amtsgericht Gießen. Die Krux: Wunderheiler üben im Gegensatz zum erlaubnispflichtigen Heilpraktiker keinen Heilberuf aus.

Von Martin Wortmann

GIEßEN. Auch die Tätigkeit des „Wunderheilers“ ist von der Berufsfreiheit geschützt. Das hat das Amtsgericht Gießen aktuell entschieden.

Voraussetzung ist danach, dass der Heiler keine nicht vorhandenen wissenschaftlichen Belege vortäuscht und dass er seine Kunden nicht davon abhält, auch Ärzte aufzusuchen.

Es sprach damit einen Mann frei, der seine Dienste in Zeitungsanzeigen angeboten hatte. Seine „geistigen Kräfte“ würden gegen Beschwerden wie Krebs, Demenz, Alzheimer, Körpervergiftung, Hepatitis oder HIV helfen.

Seine Behandlung begann mit einer Analyse des Gesundheitszustands verschiedener Organe mittels eines Pendels. Danach legte er seinen Kunden die Hände auf.

Teilweise erfolgte auch eine „Fernheilung“ durch das Telefon. Innerhalb gut eines Jahres behandelte der Mann so 58 kranke Personen. Diese bezahlten dafür zwischen 60 und 1000 Euro.

Keine gesundheitliche Schädigung

Eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz hatte der Mann nicht. Die Staatsanwaltschaft wertete seine Arbeit daher als Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz und zudem als Betrug. Das Amtsgericht Gießen hob den Strafbefehl nun auf.

Der Mann habe schon deshalb nicht gegen das Heilpraktikergesetz verstoßen, weil er gar keine Heilkunde ausübe. Denn dies setze voraus, dass die Tätigkeit neben Heilung auch „nennenswerte gesundheitliche Schädigungen verursachen“ könne.

Das sei weder beim Pendeln, noch beim Handauflegen oder „Fernheilen“ der Fall. Er habe sämtliche Kunden auch auf die normale Medizin verwiesen und stets geraten, eine normale schulmedizinische Behandlung nicht abzubrechen.

Mit dieser Argumentation stellt sich das Amtsgericht gegen ein Uralt-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe, kann sich dabei aber auf das Bundesverfassungsgericht stützen … WEITER

4 Gedanken zu “Amtsgericht Gießen schützt Wunderheiler

  1. Kein Wunder, dass das Vertrauen so mancher Bürger in die deutsche Justiz nicht besonders groß ist. Justitia ist in vielen Fällen nicht nur blind, sondern in einigen Fällen sogar total bekloppt ! Ein solcher Fall liegt hier zweifellos vor.

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  2. Das liegt an der belämmerten Rechtslage. Das Gericht konnte gar nicht anders urteilen. Geistheilen ist eben keine Heiltätigkeit im Sinne von Medizin. Das haben höhere Instanzen schon so festgestellt. Und der Vorwurf des Betrugs lässt sich nur aufrecht erhalten, wenn ein Geschädigter da ist, der sich als betrogen fühlt. Das war hier wohl nicht der Fall.

    Wir haben in unserem Rechtssystem eine schleichende Legalisierung von Betrug. Die Justiz hat sich inzwischen darin total verheddert. Bereits die Werbung für Dinge, die unmöglich sind, also Hokuspokus-Dienstleistung und Scharlatan-Produkte, müsste als versuchter Betrug gewertet werden können. Das sagt einem jedenfalls der gesunde Menschenverstand. Da ist die Gesetzgebung gefragt.

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  3. Ja, der Paragraph liest sich so schön, aber die Auslegung des Gesetzestextes durch die Rechtssprechung sieht das differenzierter. Wer sich von einem Betrüger freiwillig betrügen lässte und sich nicht betrogen fühlt, der wurde auch nicht betrogen. Er hat quasi sein Geld verschenkt. Also liegt strafrechtlich kein Betrug vor. Was anderes ist die Unmöglichkeit der Leistungserbringung. Das ist Zivilrecht. Wenn ein Klient beim Geistheiler in der Kreide steht und nicht bezahlen will, dann hat der Geistheiler Pech gehabt. Das Geld lässt sich wegen der Unmöglichkeit der Leistungserbringung nicht einklagen.

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