Weihnachten steht vor der Tür und was gäbe es Besseres zu verschenken, als ein gutes Buch. Deswegen werde ich zeitnah einige Empfehlungen aussprechen, die mit meinen Blogthemen zu tun haben.
Den Anfang macht „Homöopathie neu gedacht – Was Patienten wirklich hilft“ von Natalie Grams. Das Buch ist im Mai erschienen und erregt seitdem viel Aufsehen. Warum das so ist, lassen wir Ärztin Grams selbst erzählen:
Was hat mich überzeugt, mit der Homöopathie aufzuhören?
Ich habe über 10 Jahre Homöopathie gelernt und mindestens 5 Fortbildungen pro Jahr gemacht. Ich denke, ich war eine gute Homöopathin und habe die Sache sehr ernst genommen. Und, wie gesagt, ich wollte ja ursprünglich ein Buch für die Homöopathie schreiben, eben weil ich so überzeugt war und auch weil ich meinte, viele Zeichen zu erkennen, dass eben doch was dran sei an der Homöopathie – aller Naturwissenschaft zum Trotz.
Der wichtigste Schritt war wohl zu erkennen, was Wissenschaft und insbesondere Naturwissenschaft überhaupt bedeuten. Ich war, wie viele Homöopathen, der Meinung, damit sei etwas Schlechtes, Böses gemeint. Ich begann also das Buch zu schreiben und „Beweismaterial“ für die Homöopathie und gegen die Wissenschaft zu sammeln. Wie viele Homöopathen dachte ich, die Beweise würden nur zurückgehalten oder verfälscht, um nicht die ganze Kraft (und damit Gefahr für die normale Medizin) dieser Heilmethode zu offenbaren. Und ich dachte natürlich auch, andere Homöopathen seien einfach nur schlechter als ich. Wenn die das nicht hinbekommen, ist es kein Problem der Methode. Ich war auch der Meinung, dass „Pharmakonzerne“ die Magazine wie den Spiegel kauften oder positive Forschungsergebnisse boykottierten, dass Wissenschaftler einfach „keinen Bock“ auf die Forschung über Homöopathie hätten, weil damit bestehendes Wissen bedroht wäre. Ich war mehr als alles andere davon überzeugt, dass das Wissen, dass die Homöopathie erklären würde, einfach noch nicht gefunden sei. Das Buch „Die Homöopathie-Lüge“ von Weymayr und Heißmann habe ich noch als üble Diffamierung der Homöopathie gesehen. Und ich wollte den Gegenentwurf liefern.Was daraus geworden ist, sehen sie ja an meinem Buch. Und an meiner Praxisaufgabe. Wie kam es dazu? … WEITER
Aus der Intention ein Buch pro Homöopathie zu schreiben wurde also ein Aufklärungswerk, das sämtliche homöopathische Mythen entzaubert und das der Homöopathie jeglichen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit abspricht. Letztendlich wird von Grams die Frage erörtert, was von der Homöopathie übrigbleibt und sie stellt für sich selbst fest, dass es etwas geben müsse, das zu retten sei, um vom Medinzinbetrieb beachtet und übernommen zu werden.
Konkret spricht sie dabei neben den Faktoren Zeit, Empathie und individueller Betreuung, auch von speziellen Empfindungen der Patienten, die für sie relevant wären, um positive Effekte erzeugen zu können.
Bei letzterem hatte ich einige Verständnisprobleme, weil ich nicht genau wusste, worauf sie wirklich hinaus will. Deswegen und weil es interessant wäre noch einiges mehr zu erfahren, bat ich Natalie Grams um ein Gespräch, worauf sie sich auch bereitwillig und gerne einließ:
Hallo Natalie,
Du bist ja fast schon ein kleiner Medienstar und jeder, der seit Jahren die Homöopathie kritisiert, wird Dir sicher für Deinen Beitrag dankbar sein, der so viel mehr bringt, weil Du eben vom Saulus zum Paulus wurdest und somit aus einer ganz anderen Perspektive etwas Kritisches beitragen kannst.
Mich würde noch einiges interessieren, was bisher in Interviews noch keine Rolle spielte.
In den Skeptiker-Kreisen ist längst bekannt, dass ein Medizinstudium inhaltlich nicht darauf ausgelegt ist, Studien richtig interpretieren zu können oder vor Quacksalberei zu warnen bzw. davor zu schützen. Ganz im Gegenteil, auch in diesem Bereich wird immer häufiger ein Wahlfach Homöopathie angeboten.
Du hast eine lange homöopathische Ausbildung und viele entsprechende Fortbildungen hinter Dir. Wie sehr wurdest Du da gegen die vorherrschende Wissenschaft, den Medizinbetrieb und die Pharma indoktriniert, um Dir ganz nebenbei die Homöopathie so richtig schmackhaft zu machen?
Natalie Grams:
Ich kann nicht sagen, dass eine bewusste Indoktrination stattfindet, aber es tummeln sich in der Alternativmedizin (gleich welcher Couleur) eben viele „Intuitivfühler“, wo gerne mal was behauptet wird, dem viele gefühlt zustimmen und dann wird das eben als „Wahrheit“ gehandelt, zB „die Pharmaindustrie“ hat doch kein Interesse an Studien zur Homöopathie oder „die Wissenschaft“ hat Angst vor den Möglichkeiten der Homöopathie und blockt deshalb Forschung ab.
Insgesamt laufen da, denke ich, viele psychologische hochkomplexe Phänomene ab, mit denen man sich gegen die banale Erkenntnis wehrt, dass Nichts nichts bewirken kann.
Elke:
Das wird natürlich auch von Schule zu Schule unterschiedlich sein und man kann nur hoffen, dass es in den homöopathischen Aus- und Fortbildungen für Ärzte etwas anders zugeht, als in den privaten Instituten und Akademien, die sich auch der Heilpraktikerausbildung widmen und ganz bewusst indoktrinieren.
Würdest Du Dir mal bitte das Video der berühmten Samuel-Hahnemann-Schule unter diesem Blogartikel ansehen und uns sagen, ob das, was der Leiter Andreas Krüger von sich gibt, auch für Dich fremd ist und ob Deine Ausbilder einen ähnlichen Guru-Status genossen?
N. Grams:
Ich habe mir das Video angesehen und war entsetzt, mit welcher Selbstverständlichkeit da über alles Mögliche gefaselt wird im gleichen Atemzug mit Heilung/Medizin. Generell genießen alle großen Homöopathen (übrigens weitaus mehr Männer als Frauen) eine Art Guru-Status. Eminenzmedizin ist in der normalen Medizin am Aussterben (und soll durch Evidenz ersetzt werden), in der Homöopathie ist sie aber die Regel. Wobei ich meist eher ärztliche Fortbildungen besucht habe, wo es nicht so heftig esoterisch zuging, wie in dem Video. Doch auch der Anschein von Wissenschaftlichkeit, den sich ärztliche Homöopathen geben, ist nicht ungefährlich!
Elke:
Du bringst gleich die Überleitung zur nächsten Frage mit, denn Krüger ist ja nun ein Hardcore-Beispiel, der zu sämtlichem esoterischen Irrsinn steht und nichts verschleiert. Ticken aber die ärztlichen Homöopathen, die den Anschein von Wissenschaftlichkeit ganz hochhalten wollen, wirklich anders?
Frau Dr. Irene Schlingensiepen, die Ärztefortbildungen hält, ist Dir sicher ein Begriff. Bist Du je mit ihrer „Quellenmethode“ konfrontiert worden oder hat sie sogar Deine Arbeit beeinflusst?
N. Grams:
Die Quellenhomöopathie ist der Empfindungsmethode, die ich gemacht habe, sehr ähnlich. Man geht davon aus, dass der Patient, wenn richtig angeleitet, in der Lage ist sein Medikament zu verbalisieren/empfinden oder durch Körpersprache auszudrücken (Handgesten). Das funktioniert insofern toll, weil jeder Mensch irrationale Anteile hat und viele Empfindungen (die wohl auch irgendwie mit dem Unbewussten zusammenhängen mögen) und wenn denen mal Raum gegeben wird, fühlt der Patient sich unheimlich verstanden und „gesehen“. Alles, was man sonst verbergen muss, weil es komisch angesehen werden könnte, darf nun ausgesprochen werden – und macht für den Homöopathen sogar Sinn! Was für eine Erleichterung. Und diese „komischen“ Teile gehören dann noch nichtmal zu mir, sondern zu meinem Medikament, das erleichtert noch einmal. Die Homöopathen wie Schlingensiepen oder Sankaran gehen davon aus, dass alles mit allem verbunden ist und die Patienten empfinden sich dann wohl auch so als Teil von allem. Auch das Wort „Quelle“ suggeriert, dass man nun wirklich im Zentrum des Problems angekommen ist. Das hat magische Anteile, die wirklich faszinierend sind – die Homöopathen betrachten sie jedoch als wissenschaftlich belegte Tatsachen, was mitnichten stimmt. Dennoch kann ich die Faszination und auch die Effekte, die aus solchen Gesprächen entstehen, auch für meine Arbeit bestätigen. Möglicherweise könnte man solche Effekte auch mit Hilfe sozialwissenschaftlicher Studien näher beschreiben, aber mit einer spezifischen Wirkung des dann ausgewählten Homöopathikums hat das sicher nichts zu tun. Generell finden vor allem Menschen mit einer hohen Assoziativität solche bilderreichen Gespräche toll. Und solche Menschen finden sich natürlich zu Hauf auch unter den Homöopathen und die Hp aufsuchenden Patienten.
Elke:
Auch wieder eine schöne Überleitung, denn ich wollte über Schlingensiepen auf Sankaran zu sprechen kommen, dessen Empfindungsmethode oder Anteile davon Du gerne retten oder mitnehmen möchtest, wenn Du Homöopathie neu denkst.
Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen, denn das ist für mich Esoterik pur und ich finde es jetzt sehr interessant, wie relativ harmlos esoterisch Deine Erklärung dazu klingt. Deswegen ergänze ich etwas für den Leser, wobei für mich die Quellenmethode nach Schlingensiepen eine Variante von Sankarans Methode ist, im Prinzip also das Gleiche:
Sankaran hat ein Klassifizierungssystem zusammengebastelt, das auf den hermetischen Prinzipien der Esoterik aufbaut.
Seine Annahme, der Schlüssel zur Lösung jeglichen Problems läge in einem selbst verborgen und jeder müsse über eine geschickt geführte Befragung Zugang dazu erhalten, lässt sich wunderbar mit esoterischen Rückführungstherapien oder einer Führung zum „Inneren Kind“ vergleichen. In der Esoterik geht es um negatives Karma und energetische Blockaden, deren Ursachen uns auf der höchsten Bewusstseinsebene sowieso völlig bewusst sein sollen und die, solange wir davon noch getrennt sind, über eine tiefe Ebene unseres Unterbewusstseins in Erfahrung zu bringen seien. Nach einer entsprechenden Innenschau geht es nur noch darum, dass der esoterisch Geführte „Verstehen, Verzeihen und Loslassen“ müsse und bei Sankaran gibt es zur Problemlösung das passende Globulus, das sich über die freisten Assoziationen des Patienten Ausdruck verleihen würde. Will heißen, je irrer, wirrer und märchenhafter die Erzählungen des Patienten werden, desto besser beschreiben sie das richtige Homöopathikum. Patient befinde sich dann auf einer Ebene, die ihm Zugang zu allem Wissen verleihe. Für die Esos ein Seinsbereich genannt das All-Eine, Einheit, höchstes Bewusstsein oder auch göttliche Quelle. Der Anthroposoph würde auch sagen, Patient liest aus der Akasha-Chronik. Schlingensiepen spricht von der Quelle und Sankaran von Energieebene, Vitalempfindung und in Erklärungen liest man auch vom Zugang zum kollektiven Bewusstsein.
Hier noch ein kurzes Video mit einer Erläuterung von Schlingensiepen:
Also, mit Hahnemann hat das Ganze überhaupt nichts mehr zu tun, mit Esoterik jedoch voll und wer hier auf Wissenschaftlichkeit pocht, der kann nicht ganz dicht sein. Die Konkurrenz dazu ist die Lebensberatung, die sich zur Esoterik bekennt und auch niemals eine anerkannte Psychotherapie. Schlingensiepen & Co sind somit keinen Deut „besser“ als Krüger.
Ein springender Punkt bei dem Ganzen ist ja ein völlig weltfremdes Verständnis von der Ursache von Krankheiten, das sowieso allen wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht. Ursachen werden in der Esoterik und bei sämtlichen Alternativen Heilmethoden immer auf einer geistig-seelischen Ebene verortet und das soll für alle Krankheiten ohne Ausnahme gelten. Deswegen spricht die Szene ja ständig davon, dass die „Schulmedizin“ nur Symptome kuriert, aber niemals heilt. Man spricht auch gerne von Psychosomatik, was rein gar nichts mit dem medizinischen Fachbegriff zu tun hat, sondern meint, dass jedes Problem auf der psychischen Ebene zu finden und zu lösen sei.
Nun sieht die Realität jedoch völlig anders aus, denn wirkliche psychosomatische Erkrankungen, bei denen es keine klinische Diagnose gibt, sind im Verhältnis verschwindend gering und für alles andere gibt es anerkannte Therapien, deren Wirksamkeit sich auch nachweisen lässt. Wir wissen heute auch längst, dass eine negative psychische Verfassung kein Krebsauslöser ist und um ungesunden Stress zu reduzieren braucht es Entspannung und keine Ideologie.
Liebe Natalie, was soll also dieses irrationale Gedankengebäude à la Sankaran & Co, das ohne entsprechende Glaubensinhalte keinen Sinn macht, retten, wenn es doch eigentlich um Zeit, Zuhören, Verständnis und Vertrauen geht, was im heutigen Medizinbetrieb natürlich zu kurz kommt?
Solche „Hinführungen“ machen doch wirklich keinen Sinn, wenn dem Patienten einerseits nicht suggeriert wird, dass er zur Heilung beitragen könne und andererseits nicht angenommen wird, dass das wirrste Geschwurbel helfe. Spricht nicht auch ernsthaft dagegen, dass entsprechend programmierte Homöopathen den Patienten zum Schwurbeln bringen müssen, auch wenn es überhaupt nicht seine Art ist? (Da habe ich schon einige Anleitungen gelesen, wie man mit „Unwilligen“ vorgehen solle) Ich glaube, nicht nur mich würde es unendlich nerven und das Gegenteil bewirken. Nicht umsonst ist es in der anerkannten Psychotherapie oberstes Gebot dem Patienten nichts in den Mund zu legen und jeden nach seiner Facon reden zu lassen, ganz ohne Erwartungen. Mal ganz davon abgesehen, dass das Gros der körperlich Erkrankten keine Psychotherapie braucht, sondern Mediziner mit Einfühlungsvermögen, um Vertrauen aufzubauen, womit auch der Placebo-Effekt optimal getriggert werden kann.
N. Grams:
Ich versuche nicht das esoterische aus Sankaran und Co zu bewahren, sondern allenfalls zu erklären, aus welchen (psychologischen) Gründen heraus viele Menschen solche ,Theorien‘ attraktiv finden und warum es tatsächlich manchmal als Hilfe empfunden werden kann. Wirklich mitnehmen aus der Homöopathie können wir allenfalls die individuelle Zuwendung und die Zeit. Und eventuell die Empfindung, wie eine Krankheit empfunden wird, natürlich ohne ihr ein ,Medikament‘ anzuhängen.
Dennoch glaube ich, dass von Hirschhausen recht hat mit seiner Aussage: Wir können die Magie aus der Medizin verbannen, aber nicht aus dem Menschen.
Natürlich bedeutet das im Umkehrschluss nicht, dass wir mehr Esoterik in der Medizin brauchen, aber wir müssen verstehen, dass Menschen zu magischem Denken neigen. Wenn wir das nicht ernstnehmen in der normalen Medizin und im normalen Arzt-Patienten-Kontakt, dann verlieren wir unsere Patienten an solche ,Alternativen‘. Dieses Dilemma versuche ich aufzugreifen im Buch.
Elke:
Ganz interessant sind dazu die Erklärungen des amerikanischen Anthropologen Daniel Moerman, der die Bezeichnungen Placebo- und Noceboeffekte durch Bedeutungseffekte ersetzt. Im Prinzip geht es ihm darum, dass es zur menschlichen Natur gehöre, die Realität, die sich auf jeden gleich auswirkt, individuell zu deuten, allem einen Kontext zu verleihen, um Sinn und Ordnung zu schaffen und Erkenntnisse zu gewinnen. Die jeweilige Bedeutung kreiere das Bewusstsein, auch kollektive Aspekte spielen dabei eine Rolle, und beeinflussen damit biologische Abläufe, was zu individuellen Erlebnissen führe.
Bedeutungen werden also in der Vorstellung gebildet, greifen über psycho-physische Mechanismen auf den Körper über und sorgen dort für wahrnehmbare Effekte. Bedeutungseffekte finden immer, jedoch meist unbemerkt, statt und sind ebenso unausweichlich wie die Einwirkung physikalischer Kräfte.
Beeinflussen ließen sich diese Effekte über Zeichen und Symbole, die zu Assoziationen führen. Es geht also um beeindruckende Inszenierungen, die der Mensch über seine bereits vorhandenen Vorstellungen im Bewusstsein in einen Zusammenhang bringen kann, wodurch eine Aktualisierung der Vorstellungen möglich sei.
Die Wirkintensität der Inszenierungen sei generell abhängig von der Überzeugungskraft und die Funktion von Mythen, auf die Inszenierungen verweisen sollen, von glaubhaften Erklärungen, die zum Zeitgeist passen.
Somit auch kein Wunder, dass den vielen Mythen, von denen die heutige „Alternativmedizin“ gut lebt, ein wissenschaftlich-medizinischer Anstrich verpasst wird, weil man damit den Nerv der Zeit am besten trifft.
Natalie, was Dich persönlich angeht, scheinst Du jedenfalls Deinen „Wandlungsprozess“ völlig abgeschlossen zu haben. Gratulation!
Zum Schluss jetzt noch ein paar Fragen zum Thema Impfen.
Hast Du in Deiner Praxis impfkritisch aufgeklärt? Spielte Impfkritik in Deinen Aus- und Fortbildungen eine Rolle? Und wie hoch schätzt Du den Prozentsatz an Impfgegnern unter homöopathischen Ärzten ein?
N. Grams:
Ich war tatsächlich impfkritischer als Homöopathin, habe mich aber nie gegen das Impfen ausgesprochen. Meine Kinder sind alle geimpft, beim dritten Kind fast nach STIKO, ich hab also auch da dazugelernt. Ich habe meinen Patienten dazu geraten, zwar zu impfen, aber nur, wenn die Kinder sicher ganz gesund sind (was ja eigentlich auch STIKO Empfehlung ist, aber oft nicht so ganz eingehalten wird) und nicht unbedingt „alles auf einmal“. Das sehe ich heute anders.
Ich habe sicherlich viel Zeit damit verbracht, Impfsorgen oder -bedenken auszuräumen. Die Menschen sind sehr verunsichert, was das Impfen angeht. Und die normalen Ärzte haben auch da oftmals zu wenig Zeit, um sich der Sorgen richtig anzunehmen. Man bekommt die RKI Broschüre vorgelegt und soll sich möglichst schnell entscheiden – damit erreicht man die verunsicherten Eltern null. Letztlich steckt die Sorge dahinter, für das eigene Kind das Beste zu wollen, die dafür nötigen Informationen lassen sich aber bei der Selbstrecherche oft schlecht sortieren und gewichten.
Generell sehe ich das Problem, dass homöopathisch tätige Heilpraktiker oft auch von Impfungen abraten und das Schubladendenken „Medizin schlecht“/“Natur gut“ gefördert wird.
In meiner Ausbildung zur Homöopathie war Nicht-Impfen nie (das muss ich wirklich so sagen) ein Thema. Ich bekomme wirklich erst jetzt mit, wie krass da manche (vor allem Heilpraktiker) positioniert sind. Unter den mir bekannten Ärzten, die HP machen, sind viele eher so wie ich gewesen: nicht generell ablehnen, aber viel Zeit für individuelle Empfehlungen und Durchführung lassen (was ich heute auch kritischer sehe), damit die Leute eben doch impfen, selbst wenn sie Sorgen damit haben. Dann auch gerne homöopathisch ,begleiten‘. Das habe ich aber schon damals als Placebo betrachtet. Neue und zusätzliche Impfungen wie HPV und Grippe sehen viele allerdings kritisch, wobei das ja auch bei den normalen Ärzten so ist.
Bei Sankaran habe ich einzelne Fälle mitbekommen, wo Beschwerden auf Impfungen bzw Impfzusatzstoffe zurückgeführt wurden, aber auch dort keine prinzipiell impfablehnende Haltung.
Elke:
Da kann man nur hoffen, dass es bei den homöopathischen Ärzten in der Beziehung doch noch vernünftiger zugeht. Bei Heilpraktikern ist es ja offensichtlich, dass sich die gesamte Gilde gegen das Impfen verschworen hat. Andererseits finden man unter den Ärzte für eine individuelle Impfentscheidung eine ganze Menge Homöopathen und der DZVhÄ unterstützt ebenfalls und ganz offiziell die „Individuelle Impfentscheidung“.
„Der Terminus „individuelle Impfentscheidung“ ist ein von Impfgegnern geprägter Begriff, der suggerieren soll, Impfungen seien eine rein individuelle Entscheidung im eigenen Ermessen bzw. dem der Eltern eines Kindes. Üblicherweise werden dabei die Risiken und Nebenwirkungen einer Impfung übertrieben, der Nutzen hingegen heruntergespielt oder die Wirksamkeit generell bestritten. Ziel der Vertreter ist es, Verunsicherung und Ängste zu verbreiten und letztendlich eine Entscheidung gegen das Impfen herbeizuführen, ohne sich jedoch explizit gegen das Impfen auszusprechen und damit als Impfgegner in Erscheinung zu treten. Außerdem wird damit die Verantwortung, ob geimpft werden soll, allein den Eltern aufgebürdet. Damit dient der Terminus „individuelle Impfentscheidung“ hauptsächlich der rechtlichen Absicherung des Arztes. Dem entsprechend wird die Argumentation für eine individuelle Impfentscheidung gerne als eine „sorgfältige Aufklärung zum Impfen“ bezeichnet.“ …
Liebe Natalie, ich danke Dir jedenfalls sehr für das aufschlussreiche Gespräch und wünsche Dir alles Gute für die Zukunft!
Und nun noch etwas zur Belustigung aus der Parallelwelt der organisierten Heilpraktiker mit Hang zur Homöopathie, die „Homöopathie neu gedacht“ anscheinend gar nicht gut finden 😉
Ein paar Auszüge aus der Rezension zum Buch des Verband klassischer Homöopathen Deutschlands e.V., die wirklich selbstentlarvend sind, wenn man weiß, was sich hinter dem Begriff Heilpraktiker verbirgt!
… Aus unserer Sicht ist die Anschaffung des Buches nicht wirklich lohnenswert. Es bietet wenig neue Denkansätze, ist schlecht recherchiert und es mangelt ihm an ausreichender Wissenschaftlichkeit. Was bedauerlich ist, zumal die Autorin Grams gerade Letzteres der Homöopathie abspricht …
… Einblicke in Philosophie, Psychologie und Salutogenese werden aus Wikipedia-Einträgen zitiert, Aussagen zur Unwissenschaftlichkeit der Homöopathie verweisen auf Privatmitteilungen von Dr. Norbert Aust (aktiv bei der GWUP). Dies passt nicht so ganz in das Bild der Wissenschaftlichkeit, die die Autorin propagiert und der Homöopathie abspricht …
… Der Placebo-Effekt soll nach Frau Dr. Grams Meinung der Schlüssel zum Erfolg der Homöopathie sein, das therapeutische Setting mit der einfühlsamen, empathischen Konditionierung durch den Therapeuten sei ausschlaggebend, ganz egal, welche Globuli gegeben werden. Weil ja bisher keine einzige Studie jemals bewiesen hätte, dass Hochpotenzen irgendwelche Auswirkungen auf den Organismus haben. Da müssen wir Frau Dr. Grams leider mangelnde Aufmerksamkeit attestieren. Gerade im Bereich der Grundlagenforschung haben zahlreiche Versuchsmodelle gezeigt, dass offensichtlich auch Hochpotenzen Wirkung zeigen.
Fazit
Wir empfehlen das Buch deshalb nur bedingt zur Lektüre.
Stilistisch richtet es sich an Laien und ist zum einen sehr leichte Kost, zum anderen selbst für psychologisch oder philosophisch bewanderte Leser eine echte Herausforderung. Es ist im Grunde für den homöopathisch versierten Leser eine recht ermüdende Lektüre, ohne substantielle neue Erkenntnisse in Bezug auf die Homöopathie …
Ärztin im Interview: Warum Natalie Grams mit der Homöopathie gebrochen hat Homöopathie - neu gedacht Homöopathie ist wirkungslos Homöopathie als Glaubenssystem Heilpraktiker = Personen, die auch ohne medizinische Ausbildung kranke Menschen behandeln
Ramen, somit arbeitet Mr. MIR an der QuellenFSMoPathie!
Aber vorerst sich bitte hier heilen zu lassen: http://FSMoSophica.org/2014/06/04/Die-FSMoPathie
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Wäre schön, wenn diese Umkehr einer ehemaligen Homöopatin einen generellen Meinungsumschwung in der Homöopathen-Szene bewirken würde. Ich befürchte jedoch, dass der Schwachsinn ungehemmt weiter geht. Vernunft und Einsicht kann man von diesen Leuten leider nicht erwarten. Auch auf die Schmalspur-Mediziner aus der Heilpraktiker-Gilde kann die Welt meines Erachtens getrost verzichten.
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