Eine ganz, ganz starke Sendung, die heute auf ARTE unter dem Titel „Krebs: Das Geschäft mit der Angst – Gefährliche Folgen alternativer Behandlung“ lief.
„Bittere Aprikosenkerne, Kaffee-Einläufe, Stromtherapie: abstruse Behandlungsmethoden für lebensgefährlich erkrankte Patienten, denen eine Heilung ohne Nebenwirkungen und ohne Chemie versprochen wird. Filmautorin Claudia Ruby recherchierte mehrere Monate in alternativen Praxen sowie Kliniken und zeigt auch, wie machtlos die Justiz ist.“
Zwei Wissenschaftsjournalisten brachten undercover genau das zutage, von dem hier im Blog seit Jahren berichtet wird. Gerade Heilpraktiker und Laien, die sich zum Heilen berufen fühlen, machen Heilversprechen und raten von konventionellen Krebstherapien ab, wenn sie Patienten beraten.
Das Journalisten-Team interviewte Angehörige von verstorbenen Opfern und war selbst mit einer gefakten Krebsdiagnose unterwegs. Dazu wählten sie bewusst eine Krebsart aus, die durch Chemo und Bestrahlung zu 85 Prozent geheilt (für Jahrzehnte) werden kann, die ohne entsprechende Behandlung immer tödlich verläuft und die noch dazu in jungen Jahren auftritt. Wirklich sehr geschickt!
Dementsprechend waren sowohl die Rechercheergebnisse als auch die Tatsache, dass man diese „alternativen“ Betrüger kaum rechtlich belangen kann, besonders schockierend.
Konkret berichtet wurde über:
– eine Klinik, die mit „Heilmusik arbeitet“, die überzeugt davon ist, dass Musik Tumore zum Schrumpfen bringt, wenn das jeweilige Organ und der Krebstyp ganz individuell mit den richtigen Eigenkreationen beschallt wird.
– einen Heilpraktiker in Köln, der eine Galvano-Therapie anbietet und dabei mit einer Radiologiepraxis gemeinsame Sache macht, der bereits mehrere Brustkrebspatientinnen auf dem Gewissen hat, und weiterhin freudig praktiziert.
– das 3 E Zentrum bei Stuttgart von Lothar Hirneise.
– ein Heilerpärchen, einer davon Arzt, die zusätzlich zur „Geistigen Heilung“ Vitamin B 17 verordnen.
– MMS und den Kongress in Kassel.
– die Germanische Neue Medizin und speziell über den Ableger Biologie totale nach Sabbah in Frankreich.
– einen Heilpraktiker, der davon überzeugt ist mit Globuli und einer teuren Pseudo-Immuntherapie vor einem Rezidiv schützen zu können.
Einerseits nur zu schade, dass der Heilpraktiker in Köln nicht beim Namen genannt werden konnte, um vor ihm zu warnen, andererseits kein Problem, denn wer diesen ECT-Mist bei Krebs anbietet, wie hier ein weiteres Beispiel in Freiburg zeigt, kann nur für Alarmglocken sorgen, wenn man die Sendung gesehen hat:
Krebs behandeln mit ECT
Krebs behandeln ist nahezu fest in schulmedizinischer Hand. So wissen viele Menschen nur von Operation, Chemo- oder Strahlentherapie, wenn es um die Entfernung von Tumoren geht. Bereits im 18. Jahrhundert nutzte L. Galvani Gleichstrom zu Heilzwecken (Galvanotherapie). Von der Chemo- und Strahlenbehandlung verdrängt, rückte diese vor allem mit den Studien R. Pekars in unserer Zeit wieder mehr in die Öffentlichkeit. Schon seit über 50 Jahren gibt es die moderne Form der ECT = Electro Cancer Therapy oder auch Perkutane-Elektro-Tumortherapie genannt. Die neue weiterentwickelte perkutane (durch die Haut hindurch) Bio-Elektro-Therapie bietet eine preisgünstige Alternative mit hoher Erfolgsquote.Die EC-Therapy ist dabei keine alternative Methode wie Homöopathie, Pflanzenheilkunde oder ein „energetisches Verfahren“. Stattdessen handelt es sich um eine physikalische Behandlung, die einen direkten, protokollierbaren Einfluss auf das Tumorgeschehen nehmen kann, jenseits von Esoterik und Glaubenssystemen. Der Fortgang der Therapie wird u.a. mittels bildgebender Verfahren der Schulmedizin kontrolliert.
Indikationen für die ECT
- Krebs der Haut und Schleimhaut (besonders Melanome, Basaliome, Spinaliome)
Hautmetastasen
Weichteiltumore
isolierte Organmetastasen
Tumore innerer Organe
Prostatakrebs, Prostatahypertrophie
gutartige Wucherungen; Hämangiome, Schilddrüsenadenome, Keloide
Brustkrebs, auch Rezidive nach Strahlen und/oder Chemotherapie
Bei WDR 5 gibt es auch einen Artikel zur Recherche von Claudia Ruby und da heißt es:
… Einen Nachweis für die Wirksamkeit dieser Therapien konnte keiner der Anbieter vorlegen. Von rund 15 Therapeuten, die wir konsultiert haben – entweder persönlich oder telefonisch – hat nur einer das Richtige getan, uns nämlich in die Uniklinik Köln geschickt. Alle anderen haben entweder direkt von der Chemotherapie abgeraten oder uns nahegelegt, vorab oder begleitend eine teure Zusatztherapie zu machen…
… Für Patienten, die Hilfe suchen, ist es nicht immer leicht, Scharlatane und Wunderheiler zu erkennen. Doch es gibt einige Hinweise: Misstrauisch sollte man werden, wenn Ärzte oder Heilpraktiker ungewöhnliche Versprechen machen. Wenn sie Heilung ohne Nebenwirkungen in Aussicht stellen. Wenn sie von neuen Wundermitteln sprechen. Regelmäßig wird so etwas angepriesen, doch noch nie konnte ein angebliches Wundermittel seine Wirkung belegen. Nach dem Heilmittelwerbegesetz ist es verboten, irreführenden Heilversprechen zu machen, deshalb geschieht das oft sehr subtil. Da wird nicht gesagt: „Kommen Sie zu mir, ich mache sie gesund.“ Sondern es heißt dann: „Wir hatten schon viele Patienten, denen es geholfen hat.“
Wenn man dann nachrecherchiert, gibt es diese Patienten nicht, oder sie hatten gar keinen Krebs. Oder es heißt: „Es ist ihre Entscheidung, aber wenn Sie mein Sohn wären, dann würde ich von der Chemo abraten.“ Hier wird mit den Ängsten und Hoffnungen schwer kranker Menschen gespielt. Wer sich unsicher ist, sollte in jedem Fall eine Zweitmeinung einholen. Eine gute Anlaufstelle dafür ist zum Beispiel der Krebsinformationsdienst, der per Telefon, Mail und Internet erreichbar ist.
Zu der ARTE-Doku gibt es auch einen Artikel des beteiligten Undercover-Journalisten Hristio Boytchev:
Die Reportage über alternative Heilmethoden halte ich für stark Interessengetrieben. In diesem Bericht wurden tatsächlich nur Methoden vorgestellt, bei denen Wirksamkeiten tatsächlich fragwürdig sind.
Problematisch ist sicherlich auch, dass alle Verfahren die nicht der heutigen kapitalinteressen unterliegenden wissenschaftlichen Forschung entsprechen als alternative Heilmethoden angesehen werden. So gesehen fallen also auch Naturheilverfahren unter die alternativen Heilmethoden,wobei ich mich Frage, was z.B die in der Reportage vorgestellte Galvano-Therapie ja eher in den Bereich Apparate-Medizin fallen dürfte.
Unter den Naturheilverfahren dürfte auch die Laetril-Therapie fallen. Eine Therapie die früher von dem inzwischen verstorbenen Dr.Hans Nieper in der Silbersee-Klinik in Hannover ziemlich erfolgreich durchgeführt wurde und der sich schon einmal sinngemäß äußerte, dass sich wohl sehr viele Angehörige des amerikanischen Gesundheitssystem bei ihm behandeln liessen.
Ihnen blieb nichts anderes übrig, den dieses Verfahren ist in den Vereinigten Staaten verboten. Diesen sind die außerordentlichen Erfolge dieser Therapie nämlich bekannt – selbst bei von der Schulmedizin aufgegeben Fällen – wohingegen es von der FDA als eine Methode mit nicht nachgewiesener Wirkung eingestuft und deswegen verboten wurde. Selbst Ronald Reagan war von dieser Therapie so begeistert, dass er sich dafür einsetzen wollte, das diese Therapie in Amerika eingesetzt werden kann. Daraus ist dann aber irgendwie nichts geworden.
In der Reportage wurde die Laetril-Therapie auf eine Blausäure-Therapie reduziert und darauf hingewiesen, dass dieser Stoff gesundheitsgefährden sei. Damit wurde dieses Thema auch schon weggewischt. Tatsächlich handelt es sich aber nicht um isolierte Blausäure. Und die Blausäureverbindung kommt in der Natur nicht isoliert vor. Der Gefahrenhinweis ist bei Laetril nicht angebracht. Es verhält sich hier genauso wie bei Fluor in der Zahnpasta, und die wird deswegen auch nicht verteufelt, weil hier eine Fluorverbindung vorkommt. Isolierters Fluor gehört ja auch zu den giftigesten Substanzen.
Dennoch kommt der Blausäureverbindung bei der Bekämpfung eine entscheidende Rolle zu. Im übrigen handelt es sich bei dieser Verbindung um eine Verbindung zweier Gifte. Die Verbindung ist sogar derart stabil, das gesunde Zellen diese beiden Stoffe nicht spalten können, so dass beide Gifte Ihre Wirkung nicht entfalten können. Anders verhält es sich bei Krebszellen. In Krebszellen ist ein Enzym enthalten welches in anderen Zellen nicht vorkommt. Und dieses nur in der Krebszelle vorkommende Enzym trennt den Blausäure und Zyanidanteil. Damit kann die verteuflete Blausäureverbindung nur in Krebszellen wirken.
Bei der Leatril-Therapie geht es darum, die Blausäureverbindung in die Krebszellen zu bekommen, den das ist nicht ganz einfach, weswegen diese Therapie von erfahrenen Medizinern durchgeführt werden soll, wenn Sie erfolgreich sein soll.
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Stefania Milazzo, Stephane Lejeune, Edzard Ernst:
Laetrile for cancer: a systematic review of the clinical evidence
Supportive Care in Cancer, June 2007, Volume 15, Issue 6, pp 583-595
http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00520-006-0168-9
„Results
Thirty six reports met our inclusion criteria. No controlled clinical trials were found. Three articles were nonconsecutive case series, 2 were consecutive case series, 6 were best case series, and 25 were case reports. None of these publications proved the effectiveness of laetrile.
Conclusion
Therefore, the claim that laetrile has beneficial effects for cancer patients is not supported by sound clinical data.“
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..wie eigentlich auch zu erwarten war, Norbert. Die Rohware wird außerdem dringend benötigt für Amaretto und Persico…
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Hans Nieper, dieses Genie, das nach 25jahrelangem Suchen die Ursache für Diabetes fand: Spülmittel?
Zur Verstoffwechselung von Amygdalin solltest Du nochmal ein wenig Grundlagen der Chemie studieren, Bernd. Danach wird Dir sicher auch klar, daß das mit dem Fluor völliger Blödsinn ist.
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…schade aber auch, dass die Klinik mit der Heilmusik in Oberbayern nicht genannt wurde. Ich habe hier in der Gegend ein paar Kandidaten, denen ich das zutrauen würde.
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Es stellt sich einmal mehr die Frage, wie es hierzulande um den Verbraucherschutz bestellt ist. So sorgen z.B. staatliche Stellen dafür, dass das Trinkwasser, Lebensmittel und Gaststätten einer permanenten staatlichen Kontrolle unterliegen. Auch Arzneimittel müssen ein Prüfungsverfahren durchlaufen, bevor sie zugelassen werden. Nur die Heilpraktikergilde darf unkontrolliert ihr Unwesen treiben. Es genügt ein Schnellkurs und man darf sich Heilpraktiker nennen. Es ist sogar möglich, eine Heilpraktiker-Ausbildung im Rahmen eines Fernkurses (bei der ILS) zu absolvieren. Medizinische Scharlatane genießen in Deutschland offenbar Artenschutz.
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Sehr interessanter Beitrag. Besonders der Hinweise: “ Misstrauisch sollte man werden, wenn Ärzte oder Heilpraktiker ungewöhnliche Versprechen machen“ ist hervorzuheben. Allerdings ist der Titel natürlich auch überspitzt. Im Falle einer Diagnose sollte man sich wohl an den Arzt seines Vertrauens wenden.
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