Wenn man sich heute in den Medien umschaut, kann man feststellen, dass nackte Körper immer noch äußerst gerne betrachtet werden. Dabei scheint der Reiz, gerade berühmte Personen nackt sehen zu wollen, besonders groß zu sein. Wenn man allein die Toplisten von Artikeln mancher Presseportale im Internet betrachtet, sieht man es nicht selten, dass im Titel der Favoriten das Wort „nackt“ und der Name eines Showstars zu lesen sind.
Wie lässt es sich erklären, dass es ausgerechnet in unserer modernen und aufgeklärten Welt noch so viel Neugier auf Nacktheit gibt?
Bewusst würde sicherlich jeder behaupten, dass es sich dabei eben um Auslöser sexueller Triebe handelt, die instinktiv im Menschen und besonders in Männern starke Aufmerksamkeit erregen, was letztendlich auf den Impuls der Arterhaltung zurückzuführen ist.
Ich würde meinen, dass diese Erklärung zu oberflächlich ist, wenn man bedenkt, dass Nacktheit in anderen Kulturkreisen, gerade den Archaischen, nicht automatisch als sexuell anregend gesehen wird. Denken wir nur an die vielen Naturvölker, in denen Frauen ihr Leben generell „Topless“ verbringen und dies in ihrem Umfeld weder Schamgefühl noch Erotik hervorruft.
Somit lässt sich daraus schließen, dass der sexuelle Reiz der Nacktheit erst durch eine wie auch immer geartete Tabuisierung entsteht und nicht angeboren ist. Dabei spielen kirchlich- oder religiös- moralische Aspekte wahrscheinlich die größte Rolle, in denen Sexualität mit Nacktheit gleichgesetzt wird, die nur im Sinne der Fortpflanzung Berechtigung findet und ansonsten als „schmutzig“ gilt.
Dementsprechend fand die freie Körperkultur (FKK) in der ehemaligen DDR großen Zulauf und wurde dort von den Menschen unbefangen und ausgiebig gelebt, weil es weder ein anerzogenes Verbot noch ein Tabu gab.
Somit weckt ein vorhandenes Verbot erst bestimmte Reize, bei Erwachsenen genauso wie bei Kindern, was wir alle in Bezug auf die Erziehung wissen. Das Interesse etwas zu tun, das fern ist vom Alltäglichen, gehört eben zur menschlichen Natur des Entdeckens.
Ferner möchte ich aber noch behaupten, dass Nacktheit nicht nur körperliche Attribute beinhaltet. Redewendungen im Deutschen, wie zum Beispiel, „Die nackte Wahrheit“ oder „Ich mache mich nackt“ haben eine ganz eindeutige Bedeutung. Unverhüllt, unverstellt und ehrlich sind Synonyme der metaphorischen Nacktheit und damit wird die Aussage getroffen, dass sich jemand genau so präsentiert, wie er ist, indem er alle Rollen (Hüllen) fallen lässt, die er ansonsten erfüllt, weil er denkt, dass es von ihm erwartet wird, um akzeptiert zu werden.
Man kann davon ausgehen, dass in jedem Menschen das tiefe Bedürfnis vorherrscht sich so zu leben, wie er wirklich ist, und weil dies in unseren modernen Gesellschaften so schwer erscheint, leuchtet es ein, dass die Sehnsucht danach sehr groß sein muss. Je mehr Rollen von einem erwartet werden, die man glaubt erfüllen zu müssen, um in den verschiedensten Lebensbereichen erfolgreich sein zu können, desto intensiver ist auch der Drang nach ursprünglicher „Nacktheit“, nach der Natur des eigentlichen Ichs. Die eigene unbewusste Sehnsucht spiegelt sich in den nackten Körpern, die man gerne betrachtet. Somit gibt es eben auch die Tendenz gerade Menschen, die einem symphatisch sind, so sehen zu wollen, wie sie in Wahrheit sind, ohne „Verkleidung“.
Jeder kann sich in der eigenen Partnerschaft selbst mal beobachten, wann, wo und wie die Bereitschaft vorhanden ist, sich nackt zu zeigen, und hinterfragen, woran es liegen könnte, wenn es nur eingeschränkt oder nicht der Fall sein sollte. Welches Scheinbild möchte man anstelle des wahren Ichs präsentieren, aus Angst Ablehnung zu erfahren?
Wer die Hüllen fallen lässt, der legt auch Schutzwälle ab. Man demonstriert damit, dass man selbstsicher ist, weil man zu sich steht, so wie man ist, und es deswegen nicht nötig hat, sich zu verschleiern.